Geheime Schule und mutige Lehrerinnen
Ein schwerer Schlag im faschistischen Italianisierungsprogramm für Südtirol war das Verbot vom Schulunterricht in deutscher Sprache vor genau 100 Jahren. Gemäß der „Lex Gentile“, benannt nach dem faschistischen Unterrichtsminister Giovanni Gentile, begann im Oktober des Schuljahres 1923/24 die Schrittweise Italianisierung der Schule. An allen Schulgebäuden am Berg wurde die italienische Fahne gehisst und die Klassenräume schmückten große Bilder von Italiens König Vittorio Emanuel und Benito Mussolini. Unsere Lehrer mussten sich sehr strengen Italienischprüfungen unterziehen, die kaum zu schaffen waren. Sie wurden nachher Entlassen oder in südlichere Provinzen versetzt. Dafür bekamen Italiener die Stellen für einen hohen Gehalt und kostenloser Wohnung zugesprochen. Als Gegenreaktion rief Kanonikus Michael Gamper dazu auf, die Geheimschulen, die sogenannte Katakombenschule aufzubauen. In diesen sollte den Kindern im Untergrund das Schreiben und Lesen der deutschen Sprache beigebracht werden. Unterrichtsmaterial, finanziert durch Spenden in Deutschland, wurde über gefährlichen Schmugglerwegen nach Südtirol geschleppt. Ein Großteil der Kinder konnte im Geheimunterricht erfasst werden. Geschrieben wurde auf Schiefertafeln, die man schnell wieder löschen und verstecken konnte. Das Regime reagierte mit Hausdurchsuchungen, Verhören, Aufenthaltsverboten für Lehrer sowie Verwarnungen und Schikanen gegen Eltern und Schüler. Mutige Geheimschullehrerinnen und Lehrer haben in den Jahren 1924 bis 1939 auf den St. Andräer Berg unterrichtet. Maria Leuthner wollte beim Steiger in St. Andrä eine Schule einrichten und wurde 1931 von den italienischen Behörden ertappt. Sie wurde nach einigen Verhören als politisch unzuverlässig in die sogenannte „Schwarze Liste“ eingetragen. Die Brixnerin Anna Pupp unterrichtete auf vielen Höfen am Berg, teils auch im Freien, wie zum Beispiel im Dickicht des damaligen Biotops der Kojawiesen. Als sie sich 1932 weigerte die Namen der Schüler preiszugeben, wurde Sie ebenfalls in die Liste der politisch Verdächtigen eingetragen. Die bekannteste Lehrerin am Berg war Trude Andreatta vom Unterhuber in Mellaun, (im heu-tigen Volksmund „Großhuber“ genannt). Sie unterrichtete in der eigenen Stube (siehe Bild) und an vielen anderen Orten am Berg. 1337 wurde Sie nach einer Gerichtsverhandlung für 2 Jahre unter Polizeiaufsicht gestellt. Ihnen und den vielen anderen „stillen Helden“ ist es zu verdanken, dass die Bevölkerung ihre Muttersprache erhalten hat. ////hf

