Vor 60 Jahren starb Toni Gostner, „Bacher Tonl“ im Bozner Gefängnis
Am 7. Jänner 2022 jährte sich der 60. Todestag von Anton Gostner, Bacher in St. Leonhard. Die Schützen veranstalteten zu diesem Anlass eine würdige Gedenkfeier. Die Tageszeitung Dolomiten hat darüber ausführlich berichtet. Nicht nur der plötzliche Tod des Familienvaters Anton Gostner, sondern die damit in Verbindung stehenden Misshandlungen haben das ganze Land mit Trauer und Entsetzen erfüllt. Unser Dorfblatt will insbesondere für jene, die diese Zeit nicht miterlebt oder in Details nicht mehr in Erinnerung haben, berichten, denn allzu schnell werden Personen und Ereignisse vergessen, die es verdienen, in Erinnerung behalten zu werden.In Südtirol und insbesondere in St. Andrä war man geschockt, als einer Zeitungsnotiz zu entnehmen war, dass Anton Gostner im Alter von 42 Jahren am Sonntag, den 7. Jänner 1962 im Bozner Gefängnis plötzlich verstorben war. Erst 2 ½ Monate vorher war Franz Höfler aus Lana ebenfalls im Bozner Gefängnis gestorben. Schon seit einiger Zeit waren Gerüchte im Umlauf, dass die Polizeiorgane die Südtiroler Häftlinge mit schweren, körperlichen Folterungen misshandelt haben. Die Vermutungen wurden zur Gewissheit, als am 09. Jänner ein Brief des verstorbenen Anton Gostner mit einer schweren Anklage in der Tageszeitung „Dolomiten“ abgedruckt wurde. In diesem berichtet Anton Gostner seinem Rechtsanwalt Dr. Fritz Egger von schändlichsten Folterungen in den Gefängnissen in Brixen und Eppan. Zur Trauer um den verstorbenen Familienvater kamen also noch die Verbitterung und Entrüstung über die schweren Misshandlungen. „Wo bleibt hier der Rechtsstaat mit der Wahrung menschlicher Würde?“ fragten sich die Südtiroler. Der Brief von Anton Gostner erzielte in der Südtirol Bevölkerung eine tiefe Wirkung.Die Anteilnahme an der Beerdigung des verstorbenen Anton Gostner ließ diese tiefe Besorgnis, Trauer und Verbitterung der Bevölkerung erst recht offenkundig werden. Am Donnerstag, den 11. Jänner wurde der Leichnam des Anton Gostner von der Totenhalle des Bozner Krankenhauses in das Heimathaus seiner Familie nach St. Leonhard überführt. Schon kurze Zeit nachher fanden sich dort viele Trauernde ein, um am Sarg des Verstorbenen zu beten oder in stiller Trauer zu verharren. Zahlreiche Kränze wurden als Zeichen der innigen Trauerbekundung an die Totenbahre gelegt. Die Anteilnahme beschränkte sich nicht nur auf das Land Südtirol. Unter anderem hatte der Gesamtverband der Südtiroler in Deutschland Blumengebinde an der Totenbahre niedergelegt. An den Tagen vor der Beerdigung, die am 14. Jänner stattfand, schneite es. Da man einen großen Zustrom von Begräbnisteilnehmern erwartete, räumten die örtlichen Feuerwehrleute, der Gemeinde- und der Landesbauhof die verfügbaren Parkplätze und Straßen frei. Die bereit gestellten Parkplätze reichten allerdings bei weitem nicht aus, um die vielen Busse und privaten Personenwagen unterzubringen. Vom „Birbamer“ bis ins Dorf waren die Busse geparkt. Die Schlange der geparkten PKW reichte vom Ortskern bis zur Mellauner Bushaltestelle. Viele Begräbnisteilnehmer von auswärts mussten daher die letzten Straßenkilometer zu Fuß zurücklegen, um sich in den beinahe endlosen Trauerzug einzureihen. Eine solche Menschenmenge hatte St. Andrä noch nie erlebt. Die Zeitungen schrieben von Tausenden Trauergästen, die aus allen Teilen des Landes zur Beerdigung gekommen waren. Die Spitzen der Landespolitik mit Landeshauptmann Dr. Silvius Magnago, mehrere Landesräte und Bürgermeister, Vertreter von Verbänden, Schützenabordnungen und Musikkapellen, Landtagspräsident Dr. Ing. Alois Pupp und viele Behördenvertreter waren zur Beerdigung erschienen. Unter der Führung des Tiroler Landeshauptmannes Dr. Hans Tschiggfrey wollte eine Abordnung der Tiroler Landesregierung am Begräbnis teilnehmen. Am Brenner verweigerten die Grenzsoldaten dem Landesrat Rupert Zechtl die Einreise nach Südtirol. Aus Protest gegen diese feindliche Maßnahme beschloss die gesamte Delegation die Reise abzubrechen, um dafür am Gedenkgottesdienst in der Hofkirche zu Innsbruck teilzunehmen. Die gewaltige Menschenmenge und die in Anwesenheit der hohen Vertreter von Politik und Gesellschaft erweckten den Eindruck einer spontanen, innigen Anteilnahme der gesamten Bevölkerung am tragischen Schicksal der hart betroffenen Familie. Der Trauerzug führte vom Bacherhof in St. Leonhard, dem Heimathaus des Verstorben, zum örtlichen Friedhof nach St. Andrä. Dem mit Blumen geschmückten Sarg vom Anton Gostner folgten die Witwe Hermine mit den fünf minderjährigen Kindern Marianna (18 J.), Ernst (17 J.), Josef (15 J.), Toni (12 J.) und Maria (8 J.). Den Hinterbliebenen, die den Familienvater auf so tragische Weise verloren hatten, galt das Mitgefühl der gesamten Trauergemeinde. Denn überall, wo der Sarg, begleitetet von Schützen und Musikkapellen, vorbeigeführt wurde, sah man unter den landesweit hergekommenen Begräbnisteilnehmern Frauen und Männer, die ihre Tränen nicht unterdrücken konnten. Sowohl der Ortspfarrer Johann Aichner sowie Bürgermeister Dr. Valerius Dejaco fanden am offenen Grab des Familienvaters Anton Gostner Worte des Trostes. „Sein Leib wird begraben, seine Seele ist in Gottes Hand“, waren die Worte des Seelsorgers. Zusammenfassend schloss Bürgermeister Dr. Valerius Dejaco seine Grabrede mit dem zuversichtlich christlichen Wunsch: „Möge Gottes Vorsehung es lenken, dass diese schmerzlichen Ereignisse Anlass werden zur baldigen Herbeiführung ruhiger und glücklicherer Zustände in unserem Lande. Nur so hat das Leiden einen Sinn.“ Die Trauerfeier verlief in aller Ruhe, traurig aber würdevoll und hinterließ bei den unzähligen Trauergästen einen tiefen und nachhaltigen Eindruck. In der folgenden Faschingszeit war den Südtirolern die Lust am fröhlichen Festen vergangen. Umzüge, Faschingsbälle und Tanzunterhaltungen wurden landesweit abgesagt. //// ap